Antwort auf Kritik von Prof. Müller-Beck

Stellungnahme zu Einige Reflexionen von em. Prof. Hansjürgen Müller-Beck, Bern und Tübingen, zu M. Brandt Vergessene Archäologie. Steinwerkzeuge fast so alt wie Dinosaurier auf der Website der AG Evolutionsbiologie 3. 9. 2013 / 24. 5. 2015.1

Das umfangreiche Werk „Vergessene Archäologie“ präsentiert und diskutiert eine Reihe von Steinartefakten aus verschiedenen Fundorten, die deutlich älter sind als die Menschheit und seine großaffenartigen Vorfahren in evolutionstheoretischer Sicht. Eine Anerkennung der Werkzeugnatur dieser Funde widerspricht gängigen Evolutionsvorstellungen zur Entstehung der Menschheit.

Herr Prof. Müller-Beck hat seine „Reflexionen“ trotz der großen Brisanz des Themas bezüglich der Herkunft des Menschen und damit im Zusammenhang stehender grundlegender weltanschaulicher Fragen in einem sehr sachlichen Stil geschrieben. Dafür gebührt ihm Dank.

Müller-Beck geht in seinen längeren „Reflexionen“ nur relativ kurz auf „Vergessene Archäologie“ (VA) direkt ein. Im Folgenden geht es um seinen Haupteinwand:    

„Aufgelesene Oberflächenfunde, die nicht "in situ" beobachtet worden sind, können also nicht als Entscheidungshilfen dienen. Dies ist aber bei nahezu allen von M. BRANDT angeführten Belegen zur klassischen Eolithendiskussion, bis hin zu den meisten postulierten "Artefakten des Heidelberger" von A. RUST der Fall (s. auch Abb. 16.64.2). Wir müssen uns also nicht auf die detaillierte Ansprache der einzelnen postulierter Eolithen einlassen, …“

Müller-Beck ist also der Meinung, dass man sich mit den Merkmalen der klassischen Eolithen nicht näher beschäftigen muss, weil nahezu alle Stücke Oberflächenfunde sind und ihre geologische Zuordnung deshalb unsicher ist. Diese Behauptung ist nachweislich falsch.

Entgegen Müller-Beck sind die  allermeisten in VA angeführten Belege zur klassischen Eolithendiskussion unzweifelhaft in situ-Funde, d.h. sie wurden aus der Schicht geborgen und stellen keine Oberflächenfunde dar. Oberflächenfunde spielen nur bei den Kent-Eolithen eine größere Rolle, wobei jedoch auf dem Kent-Plateau auch in situ-Eolithen geborgen wurden. Oberflächenfunde können unter Umständen  auch geologisch zugeordnet werden. So wurden die Kent-Eolithen auch von den Gegnern der Werkzeugnatur der Eolithen ins Pliozän gestellt. Die Fundsituation aller klassischen Eolithenfundplätze mit Unterscheidung von Oberflächen-  und in situ-Funden wird in VA dargestellt und diskutiert.     

Müller-Beck geht auf die Eolithen-Kollektion von Max Verworn aus dem Oberen Miozän von Aurillac etwas näher ein. Die Funde von Verworn sind – entgegen Müller-Beck – nachweislich in situ-Funde aus dem obermiozänen „Sand des Tortoniums“. Das obermiozäne Alter der Schicht ist nicht nur geologisch, sondern auch biostratigrafisch durch Säugetierleitfossilien und später durch radiometrische Datierungen gesichert. Vor der Ablagerung der fossil- und werkzeugführenden Sande herrschte eine Zeitlang geologische Ruhe (kein katastrophischer Vulkanismus) mit wahrscheinlich subtropischem Landleben. M. Ernst & G. Gerard haben die geologische Fundsituation der Eolithen aus dem Raum Aurillac in der kleinen Monografie Die tertiäre Fundschicht der Eolithen von Aurillac 2010   aufgearbeitet. Einen beispielhaften  Eolithen von Verworn aus VA diskutiert Müller-Beck und erkennt ihn als (vermeintlichen) Oberflächenfund als echtes Artefakt an. Dieser in situ-Fund stammt aus einer Grabung Verworns 1905 am Puy de Boudieu. Marty hatte  durch Arbeiter am Puy de Boudieu eine Stelle freilegen lassen, so dass Verworn bei seiner Ankunft eine frisch geöffnete miozäne Schicht vorfand, deren Ausbeutung ihm in der Folge das meiste Material lieferte (Verworn 1905, S. 7-8). Von der geöffneten Schicht damals existiert heute noch ein Foto.

Aurillac (Cantal) "Eolithen" Verworn. vgl. Abh. Göttingen, math.-phys. Kl. N.F. IV 1905 - S. 1 Puy de Boudieu Ausgrabg. Verworn April Sept. 1905 Verworn. Nachlass von Ernst Wahle  (1889-1981), Dt. Archäologie, Prof. in Heidelberg. Aufbewahrungsort Universitätsbibliothek Heidelberg. (http://heidicon.ub.uni-heidelberg.de/id/190050)

Das hohe geologische Alter der Eolithen war unter den Wissenschaftlern nicht strittig.  Wären alle Eolithen Oberflächenfunde gewesen, hätte es die Eolithendiskussion vermutlich gar nicht gegeben.

Bei der Eolithendiskussion stand also nicht das hohe geologische Alter und auch nicht die Artefaktnatur der Eolithen in Frage, sondern es wurde allein kontrovers diskutiert, ob zufällige natürliche geologische Prozesse zahlreiche Feuersteine auf kleinem Raum artefaktähnlich modifizieren können. Heute nach über 100 Jahren Forschung und Erfahrungen im Feld gibt es dafür nicht den geringsten Anhalt. 

Prof. Müller-Beck hat nach Veröffentlichung von VA eine öffentliche Diskussion in einer ARTE-Talksendung vorgeschlagen. Der Autor ging auf dieses Angebot nicht ein, da er damals wie heute der Meinung ist, dass Talksendungen nicht das geeignete Medium für fachwissenschaftliche Diskussionen sind.

 

1 http://ag-evolutionsbiologie.net/html/2015/michael-brandt-vergessene-archaeologie-mueller-beck.html

 

Literatur

Ernst M & Gerard G (2010) Die tertiäre Fundschicht der Eolithen von Aurillac. Studium Integrale. Holzgerlingen.

Verworn M (1905) Die archaeolithische Cultur in den Hipparionschichten von Aurillac (Cantal). Berlin. 

 

Dr. Michael Brandt
Dresden, den 30. 5. 2015